Umbrüche im Leben – Krise und/oder Chance?

Leitsatz:

„Fange nie an aufzuhören, höre nie auf anzufangen …“
Cicero, römischer Politiker, Anwalt und Philosoph, berühmtester Redner Roms im Jahr 63 vor Chr.

Was bezeichnet man als Umbruch?
Synonyme sind: Umwälzung, Übergang, Wandel – aber auch Unwägbarkeiten, Lebensaufgaben – das Leben an sich!
„Sehenden Auges“ leben heißt, Umbrüche als Veränderungen und Entwicklungen zu sehen.
Die verschiedenen Abschnitte im Leben, wie
Geburt – Kindheit – Jugend – Ausbildung – Beruf/Familie – Rente/Pension – Tod
sind immer Abschiede und Neubeginn, siehe „Stufen“ von Herrmann Hesse:
„Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe
bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
in and’re, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
der uns beschützt und der uns hilft zu leben.“
Eine Umbruchsituation ist  immer ein Umschlagspunkt, an dem sich entscheidet, wie das Leben weiter geht. Sieht man einen Umbruch als eine Krise, so stellen sich die Fragen:

Welche Faktoren beeinflussen, ob wir in der Lage sind, eine Krise zu überwinden?

Sind es Dispositionen oder situative Einflüsse?
Wie entwickeln sich Persönlichkeitsmerkmale, in denen sich Menschen unterscheiden, die das Bewältigen ermöglichen?
Gibt es genetische Veranlagungen?
Wie kommt  es zu Unterschieden in der Bewältigungskompetenz

Hier findet man Antworten in der Resilienzforschung.
Definition Resilienz (Emmy E. Werner, Sir Michael Rutter):
Fähigkeit von Menschen, Krisen unter Rückgriff auf persönliche Ressourcen als Anlass für Entwicklung zu nutzen
Menschen reagieren individuell, z. B. kann eine gemachte Erfahrung als Herausforderung, Möglichkeit oder Bedrohung erlebt werden. Die Reaktion darauf variiert zwischen Resignation und Akzeptanz und führt dann zur Bewältigung oder Verdrängung.
Neueste Forschungen gehen davon aus, dass Resilienz ein aktiver Prozess ist.
Studien:z.B. Bielefelder und Kauai – Studie 1999 zum Thema Resilienz* definieren als Schutzfaktoren:
? Urvertrauen (feste Bezugspersonen in Kindheit)
? realistische Selbsteinschätzung
? positives Selbstkonzept
? Kreativität
? Fähigkeit, Hilfe zu holen und anzunehmen
? soziales Umfeld
? Problemlösungskompetenz

Albert Camus:
„Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es ihn mir einen unbesiegbaren Sommer gibt“

Ein weiteres Modell, das sich mit dem Bewältigen von Umbrüchen befasst, ist
das Modell der Salutogenese (Aaron Antonovsky 1923 – 1994). Er fand heraus, dass
Menschen über ein mehr oder minder ausgeprägtes  Kohärenzgefühl* verfügen – einen Zustand, der ermöglicht, den zahlreichen Stressoren zu widerstehen, weil geistiger Widerstand (so genannte Widerstandsressourcen) entgegengesetzt werden können. *SOC – Sence of Kohärenz
Kohärenz bedeutet Zusammenhang, Stimmigkeit und bezeichnet die allgemeine individuelle, kognitive als auch affektiv – motivationale Grundeinstellung eines Individuums gegenüber der Welt und dem eigenen Leben.
Menschen mit starkem Kohärenzgefühl verfügen über das Vertrauen, dass sie Ressourcen haben, um den Anforderungen des Lebens zu entsprechen, dass die Ereignisse des Lebens erklärbar sind und dass sich das Leben und die damit    zusammenhängenden Anstrengungen lohnen.
Die 3 Komponenten des SOC sind
1. Gefühl von Verstehbarkeit (kognitives Verarbeitungsmuster)
2. Gefühl von Handhabbarkeit/Bewältigbarkeit (kognitiv-emotionales Verarbeitungsmuster)
3. Gefühl von Sinnhaftigkeit/Bedeutsamkeit (emotionales Verarbeitungsmuster)

Der Sozialpsychologe Heiner Keupp spricht von „Innerer Lebenskohärenz“ und nennt
3 Schlüsselfähigkeiten als Voraussetzung:
1. Die Fähigkeit zur Selbstorganisation
2. Die Fähigkeit zur Verknüpfung von Ansprüchen und Ressourcen
3. Die Fähigkeit zur Selbstschöpfung des Lebenssinns.

Um den Sinn im Tun zu erkennen sind folgende Fragen wesentlich:
In welcher charakteristischen Situation befindet sich jeweils der Mensch?
Welche individuellen Möglichkeiten stehen ihm zur Bewältigung seiner Lebenssituation zur Verfügung?
Welcher individuelle Sinn ist für ihn erkennbar, für den es sich anzustrengen lohnt?

Sinnsuche und Sinnfragen und daraus folgernd die Sinnfindung sind wesentliche Aspekte und stellen für jeden von uns eine Herausforderung dar.
In diesem Zusammenhang denken Sie einmal an die Definition von EIGENSINN.
Wir alle verbinden damit Glaubenssätze aus unserer Kindheit, die negativ besetzt sind. Letztlich bedeutet Eigensinn im wörtlichen Sinn lediglich, dass wir einen eigenen Sinn leben, bzw. gefunden haben.

Verena Kast, die bekannte Schweizer Psychotherapeutin, stellt fest, dass
Krisen große Möglichkeiten zur Wandlung unseres Verhaltens und Erlebens im privaten und persönlichen Bereich ermöglichen. Dadurch werden neue Verhaltensweisen erlernt,  durch die wir in viel weiterem Rahmen agieren und denken können.

Immer wieder stellen uns Spontanremissionen bei Menschen mit schweren Krankheiten vor Rätsel. Dazu fand Hiroshi Oda (Gesundheitsanthropologe) in einer Studie heraus, dass in den meisten Fällen folgende Ressourcen genutzt wurden:
soziale Unterstützung
Zuversicht, Mut, Vertrauen in die eigenen Kräfte
keine Opferrolle einnehmen
keine Resignation/Bitterkeit

fester Glaube an Heilung

Er teilte die Betroffenen in drei Kategorien ein: Kämpfer, Gläubige,  Umsteiger.

Hilfreiche Sätze zur Bewältigung von schwierigen Lebenssituationen:

Bauen Sie ein Unterstützungsnetzwerk auf!
Geben Sie Ihren Emotionen Raum!
Sorgen Sie gut für sich!
Akzeptieren Sie vorübergehende, negative
Begleiterscheinungen
Nutzen Sie professionelle Hilfe!
Erinnern Sie sich, wie Sie in der Vergangenheit
schwierige Situationen bewältigt haben!

Hans Thomae:
„Wenn der Schwerpunkt der Seele im Außen, im eigenen Leib, in der Kleidung, dem Schmuck, der Wohnung, dem Besitz, den materiellen Gütern liegt, sprechen wir von ‚Veräußerlichung’. Eine veräußerlichte Seele lebt so, als ob ihr ganzes Heil allein von dem Haben bestimmter äußerer Güter und von dem Fernsein bestimmter äußerer Übel abhinge“.

Zum Schluss möchte ich mit Ihnen über die Frage:
Gibt es ein Recht auf ein „glückliches“ Leben? diskutieren.
Fazit: Das Leben stellt uns ständig vor neue Aufgaben.

Dazu Vaclav Havel:
Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass es einen Sinn hat, egal, wie es ausgeht!